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6 Vorurteile zum Werkstattunterricht – und die Wahrheit

Lernwerkstätten haben eine große Fangemeinde. Doch sie haben auch Zweifler. Wir haben Vorurteile rund um den Werkstattunterricht auf Herz und Nieren geprüft.

1. Lehrer haben beim Werkstattunterricht nichts zu tun und sitzen nur herum.

Die Kinder sollen ja eigenständig arbeiten. Da hat die Lehrperson dann während der Stunde Freizeit. Echt? Nein! Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sind während der Arbeit an der Lernwerkstatt mit eingebunden. Das können wir aus eigener Erfahrung sagen. Sie unterstützen Kinder, die Hilfe brauchen. Denn nicht alle Kinder lernen gleich schnell. In Lernwerkstätten lässt sich deshalb besonders gut differenzieren. Jeder kann in seinem Tempo arbeiten – langsamere Kinder bekommen mehr Hilfe, schnellere können weiterführende Aufgaben angehen, unselbstständige werden häufiger „an die Hand genommen“.

Manche Werkstätten sehen außerdem vor, dass die Lehrerinnen und Lehrer fortwährend die Ergebnisse der Kinder kontrollieren. Die Kinder kommen dann mit den fertigen Stationen zu ihnen. Auch Ergebnisse, die die Kinder eigenständig an der Lösungsstation kontrolliert haben, lesen viele Lehrerinnen und Lehrer dann noch einmal gegen – damit die Kinder nichts übersehen. Gleichzeitig können diese Kontrollen in die Bewertung mit einfließen und geben einen guten Überblick darüber, wo das jeweilige Kind gerade steht.

2. Die Vorbereitung einer Werkstatt mit dem ganzen Material dafür ist viel zu aufwendig – das lässt sich in einem normalen Lehreralltag doch kaum stemmen.

Stationen erstellen, durcharbeiten, eventuell differenzieren, anpassen oder ergänzen, ein Layout entwickeln, korrigieren, kopieren, Zusatzmaterialien bereitstellen … Keine Frage, das ist aufwendig. Sind Werkstätten deshalb ein Fass ohne Boden? Das kann so sein, muss aber nicht! Wer wenig Zeit hat, kann auf ausgearbeitete Werkstätten von Verlagen zurückgreifen. Diese nehmen schon einmal einen Teil der Arbeit ab und liefern fertige Stationen und Arbeitsaufträge.

Beim Rest ist es außerdem eine Verteilungsfrage: Bevor die Kinder an der Werkstatt arbeiten können, müssen die Lehrerinnen und Lehrer einiges vorbereiten. Die Vorbereitung beansprucht also durchaus ihre Zeit, wobei man teilweise aber auch seine Schützlinge einbeziehen kann – z. B. wenn es darum geht, bestimmte Bastelmaterialien, Bücher o. Ä. mitzubringen. Während der Arbeit an den Werkstätten ist dafür dann wenig vorzubereiten.

3. Beim Werkstattunterricht gehen die Schüler über Tische und Bänke.

Hoffentlich nicht! Und ehrlich gesagt: Unsere Praxiserfahrung zeigen zum Glück auch, dass das nicht der Fall ist. Klar, eine gewisse Hintergrundlautstärke gehört beim Werkstattunterricht einfach dazu: Die Kinder gehen umher, sie holen Materialien, räumen sie wieder weg und arbeiten vor allem auch zusammen. Völlige Stille wäre dabei nicht normal.

Chaos sollte aber auch nicht entstehen: Wichtig ist dafür natürlich, dass Sie vorab die Regeln während der Arbeit an der Werkstatt genau besprechen. Wenn es zu laut wird, helfen feste Rituale. Zum Beispiel können Sie einen Gong schlagen, der die Kinder daran erinnert, wieder leiser zu werden. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben auch gute Erfahrung damit gemacht, während der Werkstattarbeit leise klassische Musik im Hintergrund laufen zu lassen. Das kann eine beruhigende Wirkung auf die Kinder haben – und fördert die Konzentration. Egal, welches Ritual Sie während der Werkstattarbeit verwenden möchten: Wichtig ist, dass Sie es bereits vorab im Unterricht mit den Kindern besprochen und etabliert haben. Und last but not least kann auch eine gute Vorbereitung dafür sorgen, dass es beim Werkstattunterricht nicht zu laut wird: Stellen Sie lieber ein paar Stationsblätter mehr bereit und verwenden Sie nur Sozialformen, die Ihre Klasse auch kennt und mit denen sie schon gut umgehen kann.

Mehr Tipps bei Problemen im Werkstattunterricht

4. Die Kinder mogeln sich beim Werkstattunterricht nur durch und lernen nichts.

Wer hält die Kinder davon ab, an der Lösungsstation zu spicken, bevor sie die Aufgabe gelöst haben? Niemand! Bei den meisten Kindern ist das aber auch gar nicht nötig. Die Lösungen abzuschreiben, würde ihnen keinen Spaß machen. Natürlich gibt es aber auch immer wieder Kinder, die sich zum Beispiel überfordert fühlen und tatsächlich versuchen, die Lösungen abzuschreiben. Als Lehrerin oder Lehrer kennen Sie Ihre Sprösslinge aber ja in der Regel – und können solche Kinder beim Gang zur Lösungsstation auch mal abpassen und eine Stichprobe machen. Gegebenenfalls weisen Sie einfach darauf hin, dass die Aufgabe noch nicht ganz bearbeitet ist. Durchmogeln hat so keine Chance!

Im Vergleich zum Frontalunterricht kann man sich im Werkstattunterricht außerdem insgesamt weniger durchmogeln. Denn während die Kinder beim Ersteren einfach abtauchen und in der Klasse unbemerkt bleiben können, müssen sie sich beim Werkstattunterricht konkret mit den Inhalten beschäftigen. Sie merken so selbst schneller, wenn sie Schwierigkeiten mit einem Thema haben. Und sie lernen mit Gleichaltrigen zusammen. In Partner- und Gruppenarbeit wird sofort deutlich, wenn jemand die Inhalte nicht verstanden hat. Die Kinder helfen sich gegenseitig. Das ist zusätzlich gut für die Motivation. Das Vorurteil lassen wir also nicht gelten!

5. Werkstattunterricht ist nur etwas für stärkere Schüler – die schwächeren und unselbstständigen Kinder fallen durch den Rost.

Gerade das Gegenteil ist der Fall! Werkstattunterricht bietet die Möglichkeit zur Differenzierung, ohne dabei schwächere Kinder zu diskriminieren. So können die Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden, welches Niveau einer Station sie bearbeiten möchten – ohne dass es die Klasse mitbekommt. Dabei wird nicht nur jeder dort abgeholt, wo er steht. Es kann auch jeder in seinem Tempo arbeiten, ohne dass es der Klasse negativ auffällt, wenn ein Kind langsamer ist. Als Lehrerin oder Lehrer unterstützen Sie die schwächeren Schülerinnen und Schüler natürlich.

Unselbstständigeren Kindern können Sie auch Hilfen anbieten. Zum Beispiel kommt es vor, dass Schülerinnen und Schüler einfach nicht auswählen können, mit welcher Station sie loslegen. Sie machen dann hier und dort ein bisschen, bringen aber keine Station zu Ende. Für solche Kinder können Sie zum Beispiel Karten anbieten, auf denen Sie die Stationsnummern notieren. Die Kinder können dann einfach eine Nummer ziehen, um festzulegen, welche Station sie als Nächstes bearbeiten. Erst wenn sie die Station komplett bearbeitet haben, dürfen sie die nächste Karte ziehen. Oder Sie schlagen den Kindern vor, chronologisch zu arbeiten. Außerdem helfen sich die Kinder in Aufträgen mit Partner- und Gruppenarbeit gegenseitig. So bleibt kein Kind auf der Strecke!

6. Werkstattunterricht klingt nach den 80ern und ist doch gar nicht mehr zeitgemäß.

Ist eigenständiges Lernen dann auch nicht mehr zeitgemäß? Im Gegenteil! Es liegt voll im Trend! Und Werkstattunterricht ist DIE Form, das eigenständige Lernen zu fördern. Denn die Kinder steuern die Stationen selbst an und kümmern sich eigeninitiativ um ihre Fortschritte auf dem Laufzettel. Sie lernen, eine selbstgewählte Aufgabe anzugehen und auch zu Ende zu bringen – notfalls mit Biss und ohne gleich das Handtuch zu werfen. Das stärkt das Selbstvertrauen, denn die Kinder entdecken, dass sie aus eigener Kraft vorankommen. Es baut die Teamfähigkeit aus, denn es bilden sich für die unterschiedlichen Arbeitsaufträge immer wieder kurzfristige Paare und Gruppen, die zusammen an einer Aufgabe arbeiten. Und es macht stolz, die eigenen Fortschritte auf dem Laufzettel zu verfolgen. Das alles sind Fähigkeiten, die wir den Kindern mit modernen Unterrichtsmethoden vermitteln wollen. Werkstattunterricht gehört daher auf jeden Fall dazu!

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