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Gutes Benehmen in der Schule: Respektvollen Umgang in der Klasse fördern

Lernen und Arbeiten kann nur dann gut funktionieren, wenn in der Klasse ein respektvoller Umgang herrscht, sodass alle Schulkinder konzentriert lernen können und sich alle wohlfühlen. Dazu sind ein gewisses Maß und Verständnis für Werte wie Pünktlichkeit, Disziplin, Gesprächskultur und Rücksichtnahme vonnöten. In immer mehr Klassen herrscht allerdings ein recht rauer Umgangston, sind „Bitte“ und „Danke“ Fremdwörter und auch beim Vertilgen des Pausenbrotes legt so manches Kind nicht die feinsten Tischmanieren an den Tag.
Vielleicht haben auch Sie mit einer Rabaukenklasse zu kämpfen? Dann gibt Ihnen Lernbiene-Autorin und Grundschullehrkraft Annette Holl in diesem Beitrag praxisnahe Tipps, wie Sie den Blick Ihrer Schüler*innen für gutes Benehmen schärfen und so in Ihrer Klasse höflicheres Verhalten etablieren und dadurch eine angenehmere Atmosphäre schaffen können, in der gelernt und gelacht, aber nicht gemeckert und schon gar nicht ausgelacht wird.

Welche Regeln sollten Ihre Schüler*innen kennen?

Sind mehrere Menschen in einer Gruppe (z.B. in einer Familie, in einer Schulklasse, in einem Verein) zusammen, ist ein gewisses Regelwerk unabdingbar. Damit sich jede*r gut fühlen kann, ist es nötig, dass ein höflicher Umgang und Aufmerksamkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer Gruppenmitglieder gepflegt werden. Ehrlichkeit in Bezug auf die eigenen Gedanken und im Gegenzug Respekt und Toleranz gegenüber der Meinung und des Verhaltens anderer sind wichtige Eckpfeiler guten Benehmens. Diese sollten auch in jeder Grundschulklasse Einzug halten und Bestand haben.

Gesprächsregeln

Ihre Schüler*innen sollten daran gewöhnt sein, anderen zuzuhören, sie ausreden zu lassen und auch eine gegenteilige Meinung gelten zu lassen. Fordern Sie die Einhaltung der Gesprächsregeln konsequent ein, indem Sie die Kinder bei Nichtbeachtung darauf hinweisen. Schicken Sie z.B. ein Kind, das Ihnen ein Heft unter die Nase hält (möglichst nonverbal per Fingerzeig), weg, wenn sie gerade einem anderen Kind etwas erklären.

Praxis-Tipp: Gesprächsregel-Check
Kontrollieren Sie von Zeit zu Zeit, ob in der Klasse ein gutes Gesprächsklima herrscht. Händigen Sie hierzu einem Kind oder einer Gruppe von Schüler*innen ein Blatt mit Fragen aus (z.B. „Haben manche Kinder in die Klasse hineingerufen, ohne sich zu melden?“, „Wurden Kinder wegen einer falschen Antwort oder einer anderen Meinung ausgelacht?“ oder „Durften alle Kinder ausreden?“). Während eines Klassengesprächs oder im Klassenrat hält sich dieses Kind oder die Gruppe zurück und beantwortet stattdessen die Fragen auf diesem Blatt. Im Anschluss gibt es der Klasse dann Rückmeldung über ihr Verhalten.

Konfliktkultur

Oberste Regel sollte es natürlich sein, dass Ihre Schüler*innen Klassenkamerad*innen nicht körperlich verletzen, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder es zu Streitereien kommt. Aber nicht nur physische, sondern auch psychische Gewalt, zum Beispiel in Form von Schimpfwörtern, kann verletzend sein. Die Kinder sollten stattdessen lernen, sich auf erträgliche Art mündlich zu wehren oder eine gegenteilige Meinung kundzutun, ohne andere damit zu verletzen.
Treten in Ihrer Klasse gehäuft schlimme Schimpfwörter auf, sollten Sie dies zum Anlass für ein Klassengespräch nehmen. Lassen Sie Ihre Schüler*innen darüber diskutieren, wie mit diesen harten Schimpfwörtern umgegangen werden soll. Stellen Sie ggf. ein paar Ideen vor:

  • Das Kind muss das verwendete Schimpfwort schriftlich erklären.
  • Das Kind soll das Schimpfwort der Lehrkraft mündlich erklären.
  • Das Kind muss das Schimpfwort aufschreiben und zu Hause unterschreiben lassen.
  • Das Kind überlegt sich ein alternatives, schöneres Wort und schreibt es auf eine Karteikarte. Daraus entsteht mit der Zeit die „Kartei unserer schönsten Schimpfwörterkreationen“.

Praxis-Tipp: Charmante Schimpfwörter
Nehmen Sie dem Thema „Schimpfwörter“ etwas von seinem Ernst, indem Sie mal nach solchen im Dialekt suchen. Lassen Sie die Kinder raten, was z.B. ein „Drömelkas“ (plattdütsch Träumerin), eine „Snöterliese“ (plattdütsch Plappermaul), ein „Adabei“ (bayerisch für einen, dieder immer dabei sein/mitreden will) oder ein „Gscheidhaferl“ (bayerisch Klugscheißerin) ist. In diesem kostenlosen Download finden Sie ein „Schimpfwörter-Gedicht“ mit selbsterfundenen Wortschöpfungen wie dem „krummbuckeligen Milchzahngrafen“ oder dem „pupsenden Sauerkrautstinker“. Dieses kann sehr gut in verteilten Rollen (zwei Schüler*innen plus ein Kind, das die Lehrkraft spielt) gelesen werden. Dabei kann herrlich mit der Stimme gespielt und bestimmt doppelt herrlich gelacht werden.

Kultur der Höflichkeit

Ein Grundschulkind sollte die Schlüsselwörter guten Benehmens „Bitte“, „Danke“, „Gern geschehen“, sowie Grußformeln wie „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“, „Hallo“ und „Tschüss“ kennen. Ich erwarte keinen „Guten Morgen, Frau Lehrerin“-Chor von Kindern, die zu Beginn einer Schulstunde für mich aufstehen. Aber ein einfaches „Hallo“ wenn sie mir auf dem Schulflur begegnen, finde ich schön. Deshalb grüße ich bewusst laut, wenn ein Kind wortlos an mir vorbeigeht. Außerdem ignoriere ich eine Frage oder Aufforderung eines Kindes gegebenenfalls wenn das „Bitte“ fehlt und die Sache recht ruppig rüberkommt.
Außerdem sollte es wissen, wann es angebracht ist, eine Person zu duzen und wann das „Sie“ besser passt. 

Praxis-Tipp: „Du“ oder „Sie“, das weiß ich doch!
Reden Sie mit Ihren Schüler*innen über erwachsene Personen, die sie kennen (die Tante, der Supermarktverkäufer, die Schulleiterin, der Fußballtrainer usw.). Schreiben Sie diese auf kleine Karten. Sortieren Sie diese dann nach Personen, die gesiezt werden und solchen, die geduzt werden dürfen. Sie können das Ganze auch bewegt durchführen, indem Sie die Karten an verschiedenen Stellen im Klassenraum aufhängen, die Anredeform nennen und die Kinder sich dann zu einer Karte stellen müssen, die zu „Sie“ oder „Du“ passt.

Tischmanieren

Diese spielen in der Schule nur in eingeschränktem Maße eine Rolle, da das Essen sich hier ja in der Regel auf das Essen des Pausenbrotes und das Trinken aus der Trinkflasche oder ggf. aus einem Becher beschränkt. Dennoch ist es angebracht, dass Grundregeln wie „Nicht schmatzen.“, „Nicht mit vollem Mund sprechen.“, „Nicht rülpsen.“, „Nicht mit dem Trinken gurgeln.“ gelten und Sie darauf bestehen, wenn Sie gemeinsam essen.

Praxis-Tipp: Festliches Pausen-Menü
Zelebrieren Sie das Essen des Pausenbrotes von Zeit zu Zeit doch mal so richtig. Lassen Sie die Kinder hierzu ihre Tische mit echtem Geschirr, Gläsern und Besteck decken. Sicherlich wird es ein großer Spaß, wenn sie dann ihre Brote mit Messer und Gabel essen und ihren Früchtetee aus einem Sektglas trinken dürfen. Toppen Sie das Ganze, indem Sie auch Servietten falten lassen.

In diesem kostenlosen Download finden Sie eine Tabelle, in denen die wichtigsten Verhaltensweisen aufgelistet sind, die Grundschulkinder kennen sollten. Nehmen Sie sich vor, dass Ihre Schüler*innen am Ende des Schuljahres dieses Benehmen zeigen. Haken Sie hierzu den Satz ab, dessen Verhalten von der Mehrheit gezeigt wird.

Positive Verstärkung statt permanentes Maßregeln

Vielleicht haben Sie ein, zwei Frechdachse in der Klasse, die ständig auffallen. Selbstverständlich müssen Sie gegen deren verbale Entgleisungen (z.B. Schimpfwörter, lautes Motzen), körperliche Attacken und Verstöße gegen die Klassenregeln (z.B. „Ich rufe nicht laut in die Klasse hinein.“) konsequent reagieren. Auf längere Sicht werden Sie das nicht abstellen, indem Sie die Kinder ständig verbal maßregeln, ihnen Strafen geben und/oder ihre Eltern über das Fehlverhalten informieren. Im Gegenteil: Diese Maßnahmen stacheln so manch einen noch zum verstärkten Zeigen des unerwünschten Verhaltens an. Außerdem stellen Sie die Kinder so ständig vor der ganzen Klasse bloß, was nicht im Sinne einer guten Pädagogik sein kann.
Gehen Sie stattdessen immer wieder ins Vier-Augen-Gespräch mit einzelnen Kindern, die immer wieder gegen Regeln verstoßen. Besprechen Sie:

  • Welches Verhalten habe ich gezeigt, weswegen ich ermahnt wurde?
  • Warum habe ich mich so verhalten?
  • Gegen welche Klassen- oder Schulregel habe ich verstoßen?
  • Wenn andere Kinder beteiligt waren: Wie haben sich meine Mitschüler*innen wohl dabei gefühlt?
  • Wie ging es meiner Lehrkraft dabei?
  • Was nehme ich mir für die Zukunft vor?

Praxis-Tipp: Verhaltens-Lotterieschein
Getreu dem Motto „Weniger ist mehr“ vereinbaren Sie darin mit einem Kind „vertraglich“, dass es sich künftig an eine oder zwei Regeln zu halten hat (z.B. „Ich rufe nicht in die Klasse, ohne mich zu melden.“ oder „Ich vermeide Schimpfwörter.“). Am Ende des Schultages (oder einer anderen vereinbarten Frist, z.B. jeden Freitag) entscheidet das Kind in Rücksprache mit Ihnen, ob es ihm gelungen ist. Wenn ja, wird in einem „Lotterieschein“ (das kann ein echter Lotterieschein oder eine 7×7-Word-Tabelle sein) ein Kreis abgestempelt (oder angemalt). Da sein schlechtes Benehmen Konsequenzen auf die ganze Klasse hat, kommt die Belohnung für einen vollen Schein der Klasse zugute (z.B. Das Kind sucht ein Spiel aus, das alle gemeinsam spielen. Oder es gibt an einem Tag keine Hausaufgaben in einem Fach).

Gutes Benehmen auf lange Sicht

Steter Tropfen höhlt den Stein … Etablieren Sie doch das „Motto der Woche“ in Ihrer Klasse, um längerfristig ein verbessertes Benehmen zu erzielen. Dabei pickt sich die Klasse im Klassenrat eine Regel heraus oder Sie geben eine Regel vor, die momentan nicht so gut funktioniert (z.B. „Ich helfe anderen unaufgefordert beim Aufräumen.“). Am Ende des Schultages oder am Ende der Schulwoche ziehen Sie dann gemeinsam ein Resümee darüber, wie gut die Umsetzung des Mottos gelungen ist.

Praxis-Tipp: Belohnungsglas
Zur gesicherten Regulierung des rauen und lebhaften Umgangstons in Ihrer Klasse kann ein Belohnungssystem hilfreich sein. Füllen Sie hierzu ein großes Bonbonglas zunächst mit fünf Murmeln (oder echten Bonbons). Am Ende eines Schultages geben Sie Ihrer Klasse Rückmeldung über das gezeigte Verhalten. War es angebracht, dann werfen Sie eine weitere Murmel in das Glas. Wenn nein, holen Sie eine heraus. Sind zehn Murmeln im Glas, gibt es eine Belohnung (z.B. freie Spielewahl im Sportunterricht, 5 Minuten länger Pause).

Wahre Helden benehmen sich: Am Vorbild lernen

Einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung zufolge wünschen sich 75% der Deutschen das Schulfach „Benehmen“ und der Markt für Benimmtraining für Kinder, bei denen ihnen gutes Benehmen bei Tisch o.Ä. beigebracht wird, nimmt zu.
Gutes Benehmen lässt sich aber sicherlich nicht wie Vokabeln einpauken. Es lebt vom Vorbild, das wir Erwachsene den Kindern geben. Deshalb stehen auch wir Eltern und Lehrkräfte und unser eigenes Verhalten auf dem Prüfstand: Sagen Sie immer „Tschüss“, wenn Sie das Haus verlassen? Bedanken Sie sich höflich, auch wenn Ihnen ein Geschenk einmal nicht so gut gefällt? Nur wer sich selbst anständig benimmt, kann ernsthaft erwarten, dass seine Schüler*innen gutes Benehmen an den Tag legen. Motivieren Sie die Schulkinder für gutes Benehmen, indem Sie Ausschnitte aus Kinderbüchern mit ihnen lesen, in denen „ihre Helden“ sich nicht gerade an die feinen Knigge-Regeln halten (z.B. die Kaffeekränzchen-Szene aus „Pippi Langstrumpf“, in der sich Pippi Langstrumpf mit Kuchen vollstopft, mit den Fingern isst und rülpst). Welche Verbesserungsvorschläge bezüglich ihres Verhaltens könnten Ihre Schülerinnen den Figuren geben?

Praxis-Tipp: Benimm-Fotoaktion
Vielleicht können Sie in Ihrem Kollegium das Benimm-Thema zur Sprache bringen und aus Ihrem persönlichen Bemühen für Ihre Klasse eine großangelegte, schulübergreifende Aktion machen. Das hat sicherlich einen nachhaltigen Nutzen für alle Schüler*innen, die dann selbst zu Vorbildern werden. Sie könnten z.B. eine Fotoaktion starten. Hierzu werden in Kleingruppen Fotos zu verschiedenen Themenbereichen gemacht: Verhalten am Tisch, Verhalten in der Klasse, Verhalten im Gespräch, Verhalten im Bus usw. Dabei sollen die Kinder falsches und richtiges Verhalten zeigen (z.B. flüstern, jemanden auslachen, den Teller randvoll laden). Die Ergebnisse kommen dann sortiert auf Plakate (So soll es sein./Das gehört sich nicht.), die dann im Foyer der Schule in einer Foto-Galerie zu sehen sind.

Impuls zum Schluss: Sie unterrichten Kinder und keine Marionetten

Früher war das oberste Erziehungsziel Gehorsam gegenüber Erwachsenen. Deshalb wurden starre Anstandsregeln gepaukt. Heutzutage ist Erziehung und Bildung eine partnerschaftliche Angelegenheit, in der Kinder nach ihrer Meinung gefragt werden. Es darf nicht sein, dass Ihre Schüler*innen marionettenartig Regeln abspulen und immer brav alles über sich ergehen lassen. Manchmal ist auch ein „Nein“ oder Kritik an anderen nötig.
Es soll darum gehen, sie zu einem selbstreflektierten guten Benehmen zu erziehen. Sie sollen selbst beurteilen können, wann welche Regel wichtig ist und wann sie vielleicht bewusst gegen eine Regel verstoßen, weil sie sich unwohl fühlen. Ein unbekannter Erwachsener fragt nach dem Weg? Die alte Tante besteht auf dem Begrüßungsküsschen? Ein*e Mitschüler*in möchte den Stift ausleihen, den man selbst erst gestern von der Oma geschenkt bekommen hat? Wenn ein Kind sich unbehaglich fühlt, dann ist es durchaus erlaubt, sich auch einmal zu verweigern oder wegzurennen.
Und sicherlich ist es auch mal schön, die Benimmregeln ab und zu etwas weniger ernst zu nehmen und z.B. auf dem Klassenzimmerboden ein Picknick zu veranstalten oder (ohne Schuhe) über Tische und Bänke zu rennen.

In diesem Sinne: Lassen Sie Ihre Schüler*innen morgen ein paar Witze erzählen und lachen sie alle so richtig laut miteinander.

Passendes Material aus dem Lernbiene-Shop

Sie möchten auch Ihre Schüler*innen zu einem höflichen und respektvollen Umgang miteinander anleiten? Dann werfen Sie doch einen Blick in die Lernwerkstatt „Die kleine Benimm-Schule“.

Mit diesem Material lernen Ihre Schüler*innen, was gutes Benehmen bedeutet und warum es für das Zusammenleben mit anderen Menschen so wichtig ist. Sie erfahren, wie und warum man sich entschuldigt, verabschiedet und begrüßt, sie kennen Verhaltensregeln zum Duzen und Siezen und verstehen die Gründe für Tischmanieren und können diese auch anwenden. In einem ausführlichem Erläuterungstext finden Sie konkrete Tipps für angemessene Reaktionen gegenüber schlechtem Verhalten und dazu, wie Sie gutes Benehmen in Ihrer Klasse verankern.

Bildquellen:
Kinderhände übereinander © Christian Schwier_stock.adobe.com_75205143
Vier Kinder zeigen auf © contrastwerkstatt_Fotolia.com_40611618
Mädchen mit Rucksack geht zur Schule © Robert Kneschke_stock.adobe.com_84096629
Lehrerin mit Schüler © Monkey Business_stock.adobe.com_30424230

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